Experten beantworten auf der WoCoVA 2022 fünf drängende Fragen zum Gefäßzugang
Beim 7. World Congress on Vascular Access (WoCoVA, Weltkonferenz zum Gefäßzugang) versammelten sich in Athen (Griechenland) vom 16. bis 18. Oktober 2022 Fachleute und Ärzte aus dem Bereich des Gefäßzugangs, um sich über Bewährte Methoden für den Gefäßzugang sowie über die beste Patientenversorgung der Gegenwart und der Zukunft auszutauschen.
Drei von BD gesponserte Symposien brachten regionale Experten für den Gefäßzugang zusammen, um einige der drängendsten Fragen rund um den Gefäßzugang zu beantworten, u. a. zu den Themen Ethik des Gefäßzugangs, menschliche Faktoren beim Gefäßzugang sowie klinische und wirtschaftliche Ergebnisse von PVK-Pflegebündeln:
1. Wie lauten die vier ethischen Grundsätze im Gesundheitswesen und wie hängen sie mit dem Gefäßzugang zusammen?1
Catherine Hale, Associate Professor und Post-Graduate Academic Lead an der Medical School der University of Warwick (Vereinigtes Königreich), zuvor Juristin, erläuterte die vier ethischen Grundsätze im Gesundheitswesen und wie sie den Gefäßzugang beeinflussen: Selbstbestimmung, Nutzen, Nicht-Schadhaftigkeit und Gerechtigkeit.
Prof. Hale verdeutlichte, dass diese Grundsätze zu stark vereinfacht wurden.
So veranschaulichte sie beispielsweise den Konflikt zwischen Selbstbestimmung und Nutzen, der entsteht, wenn ein Patient die Einwilligungserklärung zu einer nützlichen Behandlung verweigert; oder den ständigen Konflikt zwischen Nutzen und Nicht-Schadhaftigkeit, da die meisten Verfahren Risiken und mögliche Nebenwirkungen haben.
Erfahren Sie mehr über die vier ethischen Grundsätze im Gesundheitswesen und sehen Sie sich die Präsentation von Prof. Hale an: Warum Ethik im Bereich des Gefäßzugangs wichtiger denn je ist
2. Wie können wir menschliche Fehler im Gesundheitswesen vermeiden, um die Patientensicherheit zu erhöhen?2
Trotz eines ethischen Vorgehens beim Gefäßzugang und klinischem Praxiswissen treten vermeidbare Schäden immer noch bei 6 % der Patienten in allen Bereichen der medizinischen Versorgung auf. Von diesen vermeidbaren Schäden führen 12 % zu dauerhafter Behinderung oder zum Tod.3
Dr. Tim Kane, MD, zitiert diese Studie. Die Präsentation von Dr. Kane, Co-Direktor und Gründer von Practical Patient Safety Solutions (PPSS) und beratender orthopädischer Chirurg beim Portsmouth NHS Trust, Vereinigtes Königreich, folgte auf jene von Prof. Hale. Er referierte über menschliche Fehler im Gesundheitswesen und praktische Lösungen für eine strukturierte, zuverlässige Gesundheitseinrichtung.
Dr. Kane erläuterte, dass Organisationen mit hoher Zuverlässigkeit innerhalb und außerhalb des Gesundheitswesens durch zuverlässige Sicherheitsmanagementsysteme gestützt werden. Ein Ziel ist, im Falle eines Unfalls Schuldzuweisungen zu vermeiden. Zu den vier wichtigsten Maßnahmen, die Organisationen mit hoher Zuverlässigkeit ergreifen, gehören:
- Lernen aus Beinaheunfällen/Unfällen dank einer angemessenen Ursachenanalyse
- Erstellen und Anwenden von robusten systemweiten Standardbetriebsverfahren
- Schulung des Personals darüber, warum und wie diese Verfahren zu befolgen sind
- Überwachen der Einhaltung der Personalvorschriften und der Bedingungen beim Patientenkontakt
Dr. Kane zufolge liegt die Zukunft aber vor allem in der Zusammenarbeit.
Erfahren Sie mehr über Organisationen mit hoher Zuverlässigkeit: Sir David Dalton: So verbessern Sie die Zuverlässigkeit der Gesundheitsversorgung
3. Entwicklung von Gefäßzugangsteams in Europa – sind wir schon so weit?4
Um die Patientensicherheit zu verbessern und nachhaltige Praktiken im Bereich des Gefäßzugangs zu schaffen, kann die Einführung von Gefäßzugangsteams (VAT, Vascular Access Team) eine wichtige Rolle spielen.5 Wie ist aber der aktuelle Stand der Umsetzung in Europa?
Dr. Fulvio Pinelli, MD, beratender Herzanästhesist, Intensivmediziner und Leiter des Zentrums für Gefäßzugänge in der Universitätsklinik Careggi in Florenz (Italien), beschrieb den Ansatz seiner Einrichtung zu Gefäßzugängen.
Trotz der Innovationen in seinem eigenen Krankenhaus sagte Dr. Pinelli: „Die derzeitige Form des Gefäßzugangsmanagements als Disziplin ist in Europa relativ unbekannt.“
Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2020, in der fast 1.500 medizinische Fachkräfte in sechs europäischen Ländern befragt wurden, sind VAT noch immer uneinheitlich verfügbar. Die Umsetzung könnte aufgrund mangelnder Investitionen, einer unzureichenden Evidenzbasis oder eines allgemeinen mangelnden Bewusstseins für die Vorteile von VAT langsam erfolgen.6
Erfahren Sie mehr über die Studie von Dr. Pinelli: Der gegenwärtige Stand der Gefäßzugangsteams: Ergebnisse einer europäischen Umfrage
4. Wie können wir Gefäßzugangsteams systematisch in Krankenhäusern einsetzen?7
„Wir wissen, dass standardisierte Vorgangsweisen sicher sind“, sagte Andrew Barton, RCN, Pflegeberater für intravenöse Therapie und Gefäßzugang für den Frimley Health NHS Foundation Trust (Vereinigtes Königreich) und Vorsitzender der UK National Infusion & Vascular Access Society (NIVAS), „und wir wissen, dass ein Gefäßzugangsteam für die Organisation von Vorteil ist und die Sicherheit sowie die Patientenerfahrung verbessert.“
Nach der Pandemie entwarfen Barton und der NIVAS-Vorstand einen Dreijahresplan,
um Gefäßzugänge im gesamten Vereinigten Königreich zu standardisieren.
Im ersten Schritt zur Umsetzung dieser Vision wurde der NHS England in einem White Paper dazu aufgefordert, standardisierte Strukturen für Gefäßzugangsteams in allen NHS‑Krankenhäusern zu entwickeln. Dieses White Paper:
- Skizziert eine standardisierte Struktur und Vorgehensweise für den NHS, um Gefäßzugangsteams in jedem Krankenhaus einzusetzen
- Empfiehlt die Gestaltung eines nationalen Rahmens für Gefäßzugangs-Pflegeteams
- Erstellt einen Business Case für die Einrichtung oder Weiterentwicklung von Gefäßzugangsteams
- Legt dar, welche finanziellen Einsparungen und positiven klinischen Auswirkungen auf die Patienten mit einem Gefäßzugangsteam einhergehen
Erfahren Sie mehr über das NIVAS-White Paper: Die Vorteile eines Gefäßzugangsteams
5. Sind Pflegebündel für den Gefäßzugang kosteneffizient und können sie zur Verringerung von Komplikationen beitragen?8,9
In Verbindung mit Gefäßzugangsteams sind Pflegebündel für den Gefäßzugang eine weitere innovative Möglichkeit, die Patientenversorgung zu standardisieren und zu verbessern.
In Reaktion auf den Datenmangel in diesem Bereich hat sich Prof. Olivier Mimoz, Leiter der Notaufnahme und der präklinischen Versorgung am Universitätsklinikum Poitiers (Frankreich), mit anderen Experten für Gefäßzugänge zusammengetan, um herauszufinden, ob Pflegebündel für Periphere Venenverweilkatheter (PVK) klinisch wirksam sind.
In dieser klinischen Studie, auch CLEAN3-Studie genannt, wurde der Einsatz herkömmlicher Produkte mit einem innovativen PVK-Pflegebündel verglichen und hinsichtlich der Verhinderung von Katheterversagen analysiert.10 Wie vermutet, war die Verwendung des PVK-Pflegebündels effektiver.10
Prof. Mimoz und sein Team führten eine zweite Studie durch, um auf der Grundlage der Daten der CLEAN3-Studie die Kosteneffizienz dieser innovativen Pflegebündel zu analysieren, besonders in Hinblick auf die Vermeidung ungeplanter Entfernungen.11
„Wir können aus unserer Arbeit schließen, dass die Pflegebündel den Test auf Kosteneffizienz innerhalb eines konservativen Szenarios bestanden haben“, versicherte Prof. Mimoz.
Erfahren Sie mehr über die CLEAN3-Studien: Periphere Venenverweilkatheter (PVK): Kostenauswirkungen von PVK-Pflegebündeln
Die Diskussion über die klinischen und kosteneffektiven Vorteile von Pflegebündeln für den Gefäßzugang wurde mit der nächsten Präsentation fortgesetzt, vorgetragen von Prof. Dr. Ilker Devrim, MSc, Vorsitzender des Ausschusses für Infektionskontrolle in der Abteilung für pädiatrische Infektionskrankheiten am Dr. Behcet Uz Kinderkrankenhaus in Izmir (Türkei).
„Egal welche Katheter Sie in Ihrer Einrichtung verwenden“, sagte Prof. Devrim. „Wenn Sie kein organisiertes Pflegebündel haben, werden Sie den Katheter entfernen müssen. Es ist nur eine Frage der Zeit.“
Anschließend erläuterte er, wie die Einführung von Pflegebündeln für Gefäßzugänge in seinem Krankenhaus dazu beigetragen hat, ZVK-assoziierten Blutbahninfektionen (CLABSI, Central Line-Associated Blood Stream Infection) zu reduzieren. Er beschreibt auch die Auswirkungen auf das Gesundheitsbudget.
Tatsächlich umfasst der Pflegebündelansatz von Prof. Devrim mehr als Gefäßzugangssysteme. Im Dr. Behcet Uz Kinderkrankenhaus umfasst ein Pflegebündel für Gefäßzugänge die Schulung und Ausbildung des Personals, die tägliche Überprüfung der Notwendigkeit eines zentralen Zugangs, maximale Barriereschutzmaßnahmen sowie Handhygiene.
Verweise
- Hale, C. Ethics of Vascular Access. Lecture presented at: The 7th World Congress on Vascular Access (WoCoVA); 17 October, 2022; Athens, Greece.
- Kane, T. The importance of clinical human factors in healthcare—A collaborative approach to learning. Lecture presented at: The 7th World Congress on Vascular Access (WoCoVA); 17 October, 2022; Athens, Greece.
- Panagioti M, Khan K, Keers RN, et al. Prevalence, severity, and nature of preventable patient harm across medical care settings: systematic review and meta-analysis. BMJ. 2019 Jul 17;366:l4185. doi: 10.1136/bmj.l4185.
- Pinelli, F. A survey on VATs across Europe & Perspectives on VATs from a European Panel. Lecture presented at: The 7th World Congress on Vascular Access (WoCoVA); 18 October, 2022; Athens, Greece.
- National Infusion and Vascular Access Society (NIVAS). The Benefits of a Nursing Led Vascular Access Service Team. Published June 2022. Accessed December 7, 2022 at: https://nivas.org.uk/contentimages/main/NIVAS-White-paper-for-standardisation-of-vascular-access-teams-within-the-NHS_FINAL-27.06.22.pdf
- Rey NC, Pinelli F, van Loon FHJ et al. The state of vascular access teams: Results of a European survey. Int J Clin Pract. 2021 Dec;75(12):e14849. doi: 10.1111/ijcp.14849. Epub 2021 Sep 30.
- Barton, A. The Benefits of a Nursing Led VAT: The journey to a UK VAT white paper. Lecture presented at: The 7th World Congress on Vascular Access (WoCoVA); 18 October, 2022; Athens, Greece.
- Mimoz, O. Prevention of peripheral venous catheter complications: The CLEAN3 clinical trial & cost effectiveness evaluation. Lecture presented at: The 7th World Congress on Vascular Access (WoCoVA); 16 October, 2022; Athens, Greece.
- Devrim, I. A clinical & cost effectiveness perspective on care bundles for preventing CLASBI. Lecture presented at: The 7th World Congress on Vascular Access (WoCoVA); 16 October, 2022; Athens, Greece.
- Guenezan J, Marjanovic N, Drugeon B, et al. Chlorhexidine plus alcohol versus povidone iodine plus alcohol, combined or not with innovative devices, for prevention of short-term peripheral venous catheter infection and failure (CLEAN 3 study): an investigator-initiated, open-label, single centre, randomised-controlled, two-by-two factorial trial. Lancet Infect Dis. 2021;21(7):1038–48. doi: 10.1016/S1473-3099(20)30738-6.
- Maunoury F, Drugeon B, Boisson M, et al. Cost-effectiveness analysis of bundled innovative devices versus standard approach in the prevention of unscheduled peripheral venous catheters removal due to complications in France. PLoS One. 2022 Jun 14;17(6):e0269750. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0269750
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