Antibiotikamangel in Europa: Wichtige Informationen

„Um den Mangel an Medikamenten in der Europäischen Gesundheitsunion besser in den Griff zu bekommen, bedarf es eines neuen Ansatzes“, so die Europäische Kommission in einer offiziellen Mitteilung zum aktuellen Mangel an Antibiotika.1 Eine Analyse der Weltgesundheitsorganisation aus dem Jahr 2018 schätzt die Kosten für einen Mangel an nur einem Antibiotikum auf 20 bis 30 Millionen Euro.2 Hier erfahren Sie Wissenswertes über den Mangel an Antibiotika und was derzeit unternommen wird, um ihn zu beheben. 

Warum herrscht eigentlich ein Mangel an Antibiotika?

Leider kommt es immer häufiger zu Engpässen bei der Versorgung mit Antibiotika.3 

Eine internationale Analyse aus dem Jahr 2018 ergab, dass der Mangel an Antibiotika auf folgende Gründe zurückzuführen ist:3 

  • Mangelnder kommerzieller Anreiz und Markt 
  • Unzureichende Systeme zur Prognose des Bedarfs 
  • Einzige Bezugsquelle für pharmazeutische Wirkstoffe oder Engpässe bei Wirkstoffen und anderen wichtigen Materialien 
  • Eingeschränkte Qualität der Herstellung von Ausgangsmaterialien 
  • Komplexe und fragmentierte Beschaffung von Produkten 
  • Regulatorische Herausforderungen 
  • Unzureichende gesetzliche Regelung in Bezug auf den Zugang zu unentbehrlichen Arzneimitteln 

Eine systematische Überprüfung ergab, dass zwischen 2019 und 2020 während der COVID-19-Pandemie der Verbrauch von Antibiotika zur Behandlung bakterieller Begleitinfektionen in Krankenhäusern anstieg.4 In einigen Studien wurde zudem die Meinung vertreten, dass Unterbrechungen von oder Kürzungen bei Programmen für den verantwortungsvollen Einsatz von Antibiotika (Antibiotic Stewardship) ebenfalls eine Rolle spielten.4  

Im Winter 2022–2023 verschärfte sich die Situation angesichts der veränderten Infektionsmuster weiter. Infolgedessen stieg der Bedarf an Antibiotika und somit auch der Mangel an Medikamenten deutlich an.1 Für die Hersteller war es schwierig, schnell auf die steigende Nachfrage zu reagieren, da sie lange Vorlaufzeiten benötigten, um die Produktion anzukurbeln.1 

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Wer ist vom Antibiotikamangel betroffen?

Auch wenn die Auswirkungen von Engpässen in der einschlägigen Literatur nicht genau dokumentiert sind, wissen wir, dass sie sich direkt auf die Gesundheitsversorgung auswirken.3 Engpässe bei Antibiotika gefährden wirksame und zeitnahe Therapien.3 Um eine rechtzeitige Versorgung zu gewährleisten, greifen viele medizinische Fachkräfte möglicherweise auf alternative Antibiotika zurück, was sich auf die Wirksamkeit der Behandlung auswirken könnte.3 

Der Einsatz suboptimaler Antibiotika könnte zu arzneimittelresistenten Infektionen und einer größeren antimikrobiellen Resistenz führen.3 Das U.S. Centre for Disease Control schätzt, dass der unnötige und suboptimale Einsatz von Antibiotika bis zu 50 % des gesamten ambulanten Antibiotikaverbrauchs ausmachen könnte, wobei 28 % der Verschreibungen gar nicht erforderlich sind.5 

In der Europäischen Union ist antimikrobielle Resistenz für schätzungsweise 33.000 Todesfälle pro Jahr verantwortlich.6 Die weltweiten Todesfälle im Zusammenhang mit antimikrobieller Resistenz werden bis 2050 auf 10 Millionen geschätzt.7 Sie ist zudem kostspielig: 2019 verursachten antimikrobielle Resistenzen und unwirksame Behandlungen Kosten in Höhe von 1,1 Milliarden Euro für die Gesundheitssysteme im Europäischen Wirtschaftsraum.6  

Wie können wir eine ausreichende Versorgung mit Antibiotika sicherstellen?

Die Executive Steering Group on Shortages and Safety of Medicinal Products der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) hat drei wichtige Maßnahmen zur Behebung des Antibiotikamangels veröffentlicht:8 

  • Produktionssteigerung: Zusammenarbeit mit den Genehmigungsbehörden, um Maßnahmen zur Produktionssteigerung zu priorisieren 
  • Überwachung von Angebot und Nachfrage: Arzneimittel ganz normal bestellen (keine Vorratshaltung), da die EMA, die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten Angebot und Nachfrage überwachen.  
  • Bewusstsein und verantwortungsvoller Umgang: Antibiotika nur zur Behandlung bakterieller Infektionen verschreiben, um antimikrobielle Resistenzen zu vermeiden (nicht wirksam gegen Virusinfektionen wie Erkältung und Grippe) 

Die Europäische Kommission hat pharmazeutische Rechtsvorschriften und Maßnahmen vorgeschlagen, um die Verfügbarkeit wichtiger Antibiotika zu verbessern. Dazu gehört auch ein verstärkter Informationsaustausch mit internationalen Unternehmen und Interessengruppen, um den Verlauf der Wintersaison genau zu verfolgen und Versorgungsengpässe zu erkennen und proaktiv auszugleichen.8 

Trotz der Aufrufe zur Behebung von Engpässen legen die jüngsten Daten der Europäischen Kommission nahe, dass das Angebot an den wichtigsten Antibiotika in der Europäischen Union in dieser Saison generell der Nachfrage entsprechen sollte, wenn sich die Nachfrage nicht wesentlich von den Vorjahren unterscheidet.8 

Verweise

  1. European Commission. Communication from the Commission to the European Parliament, the Council, the European Economic and Social Committee and the Committee of the Regions: Addressing medicine shortages in the EU. Brussels, 24 Oct 2023. 
  2. World Health Organisation. Meeting Report; Antibiotic Shortages: Magnitude, Causes and Possible Solutions. Oslo, 10-11 December 2019.  
  3. Shafiq N, Pandey AK, Malhotra S et al. Shortage of essential antimicrobials: a major challenge to global health security. BMJ Glob Health. 2021; 6(11): e006961. DOI: 10.1136/bmjgh-2021-006961. 
  4. Fukushige M, Ngo NH, Lukmanto D, Fukuda S, Ohneda O. Effect of the COVID-19 pandemic on antibiotic consumption: A systematic review comparing 2019 and 2020 data. Front Public Health. 2022; 10:946077. DOI: 10.3389/fpubh.2022.946077. 
  5. Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Measuring Outpatient Antibiotic Prescribing. Published 5 October 2022. Accessed 23 November 2023 at: https://www.cdc.gov/antibiotic-use/data/outpatient-prescribing/index.html 
  6. OECD. Antimicrobial Resistance: Tackling the Burden in the European Union. Published 2019. Accessed 23 November 2023. 
  7. O’Neill J. Antimicrobial Resistance: Tackling a crisis for the health and wealth of nations. The Review on Antimicrobial Resistance. Published December 2014. Accessed 23 November 2023. 
  8. European Medicines Agency. European Health Union: EU steps up action to prevent shortages of antibiotics for next winter. Published 17 July 2023. Accessed 20 November 2023 at: https://www.ema.europa.eu/en/news/european-health-union-eu-steps-action-prevent-shortages-antibiotics-next-winter. 

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