Schutz von Beschäftigten im Gesundheitswesen vor Nadelstichverletzungen – Die Auswirkungen der Gesetzgebung

Nadelstichverletzungen (NSV) oder Verletzungen durch scharfe medizinische Instrumente sind ein allgegenwärtiger Teil des beruflichen Umfelds von Mitarbeitern im Gesundheitswesen. In Europa ereignen sich jährlich schätzungsweise über 1 Million Nadelstichverletzungen.1 Nadelstichverletzungen sind nicht zu unterschätzen, da sie dazu führen können, dass sich Mitarbeiter im Gesundheitswesen mit durch Blut übertragbaren Krankheitserregern infizieren. 

Die EU-Richtlinie 2010/32/EU zur Vermeidung von Verletzungen durch scharfe/spitze Instrumente im Krankenhaus- und im Gesundheitssektor2, wurde erlassen, um NSV und Infektionen bei Beschäftigten im Gesundheitswesen so weit wie möglich zu verhindern. Die Richtlinie zielt darauf ab, Beschäftigte im Gesundheitswesen vor Verletzungen durch Kanülen und andere scharfe Instrumente zu schützen, indem sie eine von den europäischen Partnern HOSPEEM (The European Hospital and Healthcare Employers Association) und EPSU (The European Federation of Public Services Union) geschlossene Rahmenvereinbarung umsetzt.2 Die EU-Richtlinie musste von den EU-Mitgliedsstaaten bis zum 11. Mai 2013 in nationales Recht umgesetzt werden. 

Diskussionsrunde im Rahmen des Healthcare Workers Safety Day am 13. Oktober 2019.

Um Erfahrungen und Richtlinien zum Schutz von Beschäftigten im Gesundheitswesen in ihren jeweiligen Ländern zu vergleichen, trafen sich am 3. Oktober 2019 leitende Krankenhausmitarbeiter aus sieben EU-Ländern im BD Innovation and Engagement Centre in Eysins zu einer Diskussionsrunde zu diesem Thema. Zu den Themen, die in diesem Rahmen diskutiert wurden, gehörten die spezifische Risikobewertung, die wirtschaftlichen Auswirkungen von NSV und die Bewertung von Sicherheitsprodukten bei der Prävention von NSV.

Sicherheit von Mitarbeitern im Gesundheitswesen in Europa – Was wird benötigt?

Die Teilnehmer der Expertenrunde  diskutierten über die Umsetzung der EU-Richtlinie 2010/32/EU in der gesamten EU. Dabei wurde festgestellt, dass alle EU-Mitgliedsstaaten die Richtlinie mit unterschiedlichem Grad der Einhaltung und Gründlichkeit umgesetzt haben. Diese Uneinheitlichkeit bei der Umsetzung in Europa beruhen größtenteils auf Kostenbeschränkungen, uneinheitliche Berichterstattung und Nachverfolgung von NSV-Vorfällen, unzureichende Aus- und Weiterbildung oder mangelnde Priorität zurückzuführen. 

Bei der Umsetzung der in der Richtlinie geforderten spezifischen Maßnahmen zur Verhinderung von NSV gibt es große Unterschiede zwischen den EU-Ländern. Einige Maßnahmen, wie die Entsorgung von scharfen/spitzen Gegenständen in spezielle Abwurfbehälter udie Vermeidung des Wiederaufsetzens der Verschlusskappe nach dem Gebrauch von Kanülen, scheinen jedoch in allen EU-Mitgliedsstaaten weit verbreitet zu sein. Die teilnehmenden Experten waren der Meinung, dass die Länder zwar ihre eigene Gesetzgebung haben mögen, es aber generell in der kollektiven Verantwortung der Beschäftigten im Gesundheitswesen liegt, zu handeln und zu verhindern, dass gefährliche Situationen beim Umgang mit scharfen/spitzen Gegenständen und Kanülen bei ihrer täglichen Arbeit entstehen. 

Die Bewertung von Risiken in der Arbeitspraxis ist ein wichtiger Pfeiler der Richtlinie. Die Richtlinie zielt darauf ab, das Gesamtrisiko von NSV zu bewerten, anstatt lediglich einzelne Risiken zu überwachen.  Die Effektivität einer solchen Bewertung scheint in den einzelnen EU-Staaten unterschiedlich zu sein. Die Risikobewertung durch die Erfassung von NSV-Daten ist angesichts der hohen personellen und institutionellen Kosten, die mit NSV in Verbindung stehen,  wichtig. 

Die Experten kamen zu dem Schluss, dass es notwendig ist, Benchmarking-Daten zu NSV zu erfassen, um die Wahrnehmen der Wichtigkeit des Themas NSV zu verstärken und dadurch die Anzahl an NSV zu reduzieren.  Mit diesem Ziel ist es wichtiger, ein Bewusstsein für NSV zu schaffen und aktiven Beobachtern die Möglichkeit zu geben, relevante Daten zu erfassen, als in kostspielige Überwachungs- und Kontrollmechanismen zu investieren.