Überlegungen für Gesundheitseinrichtungen, die mit einem Mangel an Pflegekräften konfrontiert sind
Der Mangel an Pflegekräften, Ärzten und anderen Gesundheitsfachkräften ist eine Realität im Vereinigten Königreich und in ganz Europa.1,2 Der britische National Health Service (NHS) meldet zu Ende März 2024 eine Quote nicht besetzter Stellen von 7,5 % (31.294 offene Stellen) für Pflegekräfte.1 Und ein Bericht der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2020 stellte fest, dass die Mehrheit der EU-Länder einen Mangel an Pflegekräften erlebte.2 Mit Blick auf die Zukunft prognostiziert die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bis 2030 einen Mangel von 10 Millionen Fachkräften im Gesundheitswesen.3 Die Gründe für den Mangel an Pflegekräften und anderen Fachkräften im Gesundheitswesen sind vielfältig. Die Covid-Pandemie trug zu Stress und Burnout beim Personal im Gesundheitsweisen bei.4 Laut WHO litten mehr als drei Viertel der Pflegekräfte unter einem gewissen Grad an psychischem Stress im Zusammenhang mit der Pandemie, und in Europa gaben 9 von 10 Pflegekräften an, dass sie ihren Job kündigen wollten.4 Eine alternde Belegschaft ist ebenfalls ein Problem, zusammen mit demografischen Faktoren und Burnout, die zu einer nachlassenden Arbeitskraft beitragen.5
Im Bericht „State of the World’s Nursing 2020“ heben die Autoren hervor, dass die Bindung von Pflegekräften und die gerechte Verteilung von Pflegekräften Herausforderungen sind, die fast universell von Ländern auf der ganzen Welt geteilt werden.6 Eine der Ursachen ist die Beschleunigung der internationalen Mobilität, die durch finanzielle und andere Gründe angetrieben wird und erhebliche Auswirkungen auf die Verfügbarkeit und gerechte Verteilung von Pflegekräften hat.6
Die Migration von Pflegekräften aus einkommensschwachen Ländern in einkommensstarke Länden ist seit einiger Zeit bekannt.6 Dies führt zu Ungleichheiten in der Versorgung in verschiedenen Regionen. Zum Beispiel sind 81 % der Pflegekräfte weltweit in Europa, Amerika und der westlichen Pazifikregion beschäftigt, die zusammen 51 % der Weltbevölkerung ausmachen.6 Die Länder mit einer geringeren Anzahl an Pflegekräften befinden sich überwiegend in Afrika, Südostasien und der östlichen Mittelmeerregion.6 Dieses unkontrollierte Migrationsmuster kann den Mangel an Pflegekräften verschärfen und auch zu ungleichem Zugang zu Gesundheitsleistungen beitragen.6
Bindung an den Beruf und Arbeitszufriedenheit: universelle Anliegen zur Bekämpfung des Mangels an Pflegekräften
Während die beitragenden Faktoren und spezifischen Herausforderungen variieren können, sind Bindung an den Beruf und Arbeitszufriedenheit universelle Anliegen für die Einrichtungen, die Pflegekräfte weltweit beschäftigen. Arbeitszufriedenheit kann eine wichtige Rolle bei der Entscheidung spielen, ob man in einem Pflegejob bleibt oder ihn verlässt. In einer Studie aus Frankreich, die sich mit den Fluktuationsraten in Intensivstationen (ICUs) befasste, fanden Forscher heraus, dass soziale Unterstützung durch Vorgesetzte und Kollegen zu niedrigeren Fluktuationsraten beitrug, ebenso wie die Möglichkeit, während des Arbeitstages Pausen einzulegen.7 In Anerkennung dieser Herausforderungen starten Regierungen umfassende Initiativen zur Verbesserung der Bindung und Rekrutierung von Pflegekräften.8,9
WHO/Europa und Europäische Kommission kündigen eine Initiative in Höhe von 1,3 Mio. € zur Förderung der Bindung und Rekrutierung von Pflegekräften an
WHO/Europa und die Europäische Kommission ergreifen Maßnahmen mit einem Programm in Höhe von 1,3 Mio. €, das im September 2024 angekündigt wurde und darauf abzielt, die EU-Mitgliedstaaten durch die Förderung der Bindung von Pflegekräften und die Anwerbung neuer Pflegekräfte zu unterstützen.8 Die Finanzierung in Höhe von 1,3 Mio. € wird auf alle 27 EU-Mitgliedstaaten angewendet, wobei die Länder mit den größten Mängeln an Pflegepersonal Priorität haben.8
Das 36-monatige Programm wird sich auf Folgendes konzentrieren:8
- evidenzbasierte Strategien zur Bindung und Rekrutierung vorantreiben
- die Bemühungen verstärken, die neue Generation durch Mentoren zu unterstützen
- die Gesundheit und das Wohlbefinden der Pflegekräfte schützen
- die Länder bei der Umsetzung von Arbeitsschutzmaßnahmen unterstützen
- die Integration digitaler Lösungen optimieren
Der Aktionsrahmen für die Gesundheits- und Pflegekräfte der WHO/Europa umfasst fünf Säulen
Der im September 2023 von der WHO/Europa veröffentlichte Aktionsrahmen für die Gesundheits- und Pflegekräfte in der Europäischen Region 2023–2030 skizziert einen umfassenden Plan zur Investition in und zum Schutz von Gesundheits- und Pflegekräften.9 Zu den Zielen des Plans gehören die ausreichende Verfügbarkeit von Personal, die Verbesserung der Bindung und Rekrutierung sowie die Leistungssteigerung.9
Der Plan konzentriert sich auf fünf Säulen:9
Säule 1 – Binden und rekrutieren: Bedürfnisse der Gesundheits- und Pflegekräfte adressieren
Diese Säule konzentriert sich auf den Schutz der psychischen und physischen Gesundheit und des Wohlbefindens der Gesundheits- und Pflegekräfte, einschließlich des Schutzes vor beruflichen Risiken.9 Dazu gehört das Ziel, die Bindung von Gesundheits- und Pflegekräften zu verbessern und die Rückkehr derjenigen zu fördern, die den Beruf verlassen haben.9
Berufliche Risiken für Personal im Gesundheitswesen könnten beispielsweise die berufliche Exposition gegenüber gefährlichen Arzneimitteln umfassen.13 Die Wischdesinfektion von Oberflächen, Kontaminationsüberwachung, persönliche Schutzausrüstung (PSA) und geschlossene Medikamententransfersysteme (CSTDs ) bieten Möglichkeiten zur Minderung dieser Risiken.10,11,12,13
Säule 2 – Fortbildungsangebote erweitern: Weiterbildung und Ausbildung, Fähigkeiten und Kompetenzen stärken
Diese Säule erkennt den Bedarf an zusätzlichen Kompetenzen für Gesundheitskräfte an, wie die Fähigkeit zur Nutzung digitaler Gesundheitstools einschließlich künstlicher Intelligenz.9 Sie hebt auch die Bedeutung der kontinuierlichen Aneignung neuer Kenntnisse und Fähigkeiten im Laufe ihrer Karriere hervor, einschließlich kontinuierlicher und standardisierter Weiterbildungsprogramme.9 Beispielsweise sind Schulungs- und Fortbildungsprogramme für Pflegekräfte, die in der Gefäßzugangspflege tätig sind, ein wesentlicher Bestandteil von Programmen zum Management des Gefäßzugangs (Vascular Access Management).14 Die Ziele dieser Programme in Krankenhäusern umfassen eine eingehende Bewertung der aktuellen Infusionspraktiken und die Suche nach Möglichkeiten zur Verbesserung der klinischen Leistung, zur Verbesserung der Sicherheit und zur Kosteneinsparung.14
Mehr zu diesem Thema: Internationaler Tag der Pflege: Pflegekräften mehr Verantwortung beim Gefäßzugang geben
Säule 3 – Leistung optimieren: Teams und Fähigkeiten neu definieren; digitale Lösungen nutzen
Diese Säule baut auf den Säulen eins und zwei auf und erweitert den Fokus auf die Art und Weise, wie Arbeit organisiert wird, auf die Nutzung digitaler Lösungen und auf die Sicherstellung, dass die Einrichtungen und die Ausrüstung angemessen sind.9 Dazu gehören Strategien wie die Neudefinition von Teams und Fähigkeiten, die Entwicklung multiprofessioneller Teams und die Sicherstellung der effektivsten Nutzung des Wissens und der Expertise von Gesundheits- und Pflegekräften.9 Gefäßzugangsteams oder Vascular Access Teams (VATs) bieten ein Beispiel für Teams, die effizient Fachwissen und Experten zusammenbringen.15,16 Diese multidisziplinären Teams in Krankenhäusern sind verantwortlich für die Auswahl, Platzierung, Pflege und das Entfernen von Gefäzugangsprodukten.15,16
Säule 4 – Planen: Umfassende Richtlinien für Gesundheits- und Pflegekräfte umsetzen; Daten verbessern; mehrere Interessengruppen im Einklang mit den sich ändernden Bedürfnissen koordinieren
Diese Säule definiert die Schlüsselfaktoren im Zusammenhang mit der Planung und stellt sicher, dass alle Interessengruppen einbezogen werden (d. h. Gesundheits-, Regierungs-, Finanz-, Berufs- und Patientenorganisationen, Bildungsministerien im Land, wichtige private Sektoren).9 Sie hebt auch die Notwendigkeit hervor, Ausbildungen im Gesundheitswesen und in der Pflege sowie Ausbildungseinrichtungen zu regulieren, und sie unterstreicht die Notwendigkeit einer strategischen Personalplanung, robuster Gesundheitssysteme und des Zugangs zu Daten.9
Säule 5 – Investieren: Sinnvolle öffentliche Investitionen in die Gesundheits- und Pflegekräfte erhöhen und aufrechterhalten, was zum Wirtschaftswachstum und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beiträgt
Diese Säule betont die Bedeutung der Investition in die Ausbildung, Entwicklung und den Schutz der Gesundheits- und Pflegekräfte sowie die Vorteile neuer Ansätze wie die Förderung digitaler Gesundheitskompetenzen, die Bereitstellung flexiblerer Arbeitsbedingungen und die Sicherstellung zufriedenstellender Arbeitsbedingungen.9
Neue Programme legen den Fokus auf den Mangel an Pflegekräften und die Bedürfnisse der Patienten
Bei der Ankündigung des 1,3 Mio. € Programms der WHO/Europa und der Europäischen Kommission kommentierte Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa: „Pflegekräfte sind der Schlüssel zu unseren Gesundheitssystemen, doch viele Länder kämpfen darum, die benötigte Anzahl zu halten oder anzuziehen, um den wachsenden und sich verändernden Bedürfnissen ihrer Bevölkerung gerecht zu werden. Diese neue Initiative ist ein Zeichen unseres gemeinsamen Engagements, dies anzugehen und sicherzustellen, dass die Patienten die qualitativ hochwertige, professionelle Pflege erhalten, wann und wo sie sie benötigen.“8
Verweise
1 NHS Digital. NHS Vacancy Statistics England, April 2015 – March 2024, Experimental Statistics. Published 30 May 2024. Accessed 16 October 2024. https://digital.nhs.uk/data-and-information/publications/statistical/nhs-vacancies-survey/april-2015—march-2024-experimental-statistics#
2 European Commission: Directorate-General for Employment, Social Affairs and Inclusion and McGrath, J. Analysis of shortage and surplus occupations 2020, Publications Office of the European Union. Published 2020. Accessed 17 October 2024. https://data.europa.eu/doi/10.2767/933528
3 World Health Organisation. Health workforce. Published 2024. Accessed 20 November 2024. https://www.who.int/health-topics/health-workforce#tab=tab_1
4 World Health Organisation Europe. Press Release. The health workforce crisis in Europe is no longer a looming threat – it is here and now. The Bucharest Declaration charts a way forward. Published 22 March 2023. Accessed 15 October 2024. https://www.who.int/europe/news/item/22-03-2023-the-health-workforce-crisis-in-europe-is-no-longer-a-looming-threat—it-is-here-and-now.-the-bucharest-declaration-charts-a-way-forward
5 WHO Europe. Press Release. Ticking timebomb: Without immediate action, health and care workforce gaps in the European Region could spell disaster. Published 14 September 2022. Accessed 16 October 2024. https://www.who.int/europe/news/item/14-09-2022-ticking-timebomb–without-immediate-action–health-and-care-workforce-gaps-in-the-european-region-could-spell-disaster
6 World Health Organisation. State of the world’s nursing 2020: investing in education, jobs and leadership. Published 6 April 2020. Accessed 16 October 2024. https://www.who.int/publications/i/item/9789240003279
7 Daouda OS, Hocine MN, Temime L. Determinants of healthcare worker turnover in intensive care units: A micro-macro multilevel analysis. PLoS One. 2021;16(5):e0251779. doi:10.1371/journal.pone.0251779
8 World Health Organisation. European Commission and WHO/Europe sign €1.3 million agreement to help EU Member States retain and attract more nurses. Published 6 September 2024. Accessed 18 November 2024.
9 World Health Organization. Framework for Action on the Health and Care Workforce in the WHO European Region 2023–2030. Published 21 September 2023. Accessed 18 November 2024. https://iris.who.int/bitstream/handle/10665/372563/73wd08e-HealthCareWorkforce-230575.pdf
10 Forsa, European Biosafety Network (EBN), Hospital Pharmacists Association of Ireland (HPAI), National Association of Hospital Pharmacy Technicians (NAHPT) Ireland. Joint Summit: Preventing occupational exposure to Hazardous Medicinal Products (HMPs). Published January 30, 2024. Accessed June 19, 2024. https://www.europeanbiosafetynetwork.eu/joint-summit-preventing-occupational-exposure-to-hazardous-medicinal-products-hmps/
11 Kiffmeyer TK, Tuerk J, Hahn M, et al. Application and assessment of a regular environmental monitoring of the antineoplastic drug contamination level in pharmacies – the MEWIP project. Ann Occup Hyg. 2012;57(4):444-455. doi:10.1093/annhyg/mes081
12 United States Pharmacopeia Convention. USP General Chapter <800> Hazardous Drugs—Handling in Healthcare Settings. Published 2019. Accessed May 30, 2024. https://www.usp.org/compounding/general-chapter-hazardous-drugs-handling-healthcare
13 Simon N, Vasseur M, Pinturaud M, et al. Effectiveness of a Closed-System Transfer Device in Reducing Surface Contamination in a New Antineoplastic Drug-Compounding Unit: A Prospective, Controlled, Parallel Study. PLoS One. 2016;11(7):e0159052. doi:10.1371/journal.pone.0159052
14 Morrell E. Reducing Risks and Improving Vascular Access Outcomes. J Infus Nurs. 2020 Jul/Aug;43(4):222-228. doi: 10.1097/NAN.0000000000000377
15 Moureau NL. Vessel Health and Preservation: The Right Approach for Vascular Access. Springer International Publishing; 2019:59-65. doi:10.1007/978-3-030-03149-7_5
16 Cortés Rey N, Pinelli F, van Loon FHJ, et al. The state of vascular access teams: Results of a European survey. Int J Clin Pract. 2021;75(12):e14849. doi:10.1111/ijcp.14849
This list of references to third-party peer-reviewed material and the sites they are hosted on are provided for your reference and convenience only, and do not imply any review or endorsement of the material or any association with their operators. The Third-Party References (and the Web sites to which they link) may contain information that is inaccurate, incomplete, or outdated. Your access and use of the Third Party Sites (and any Web sites to which they link) is solely at your own risk.
BD-139104