PICC-Katheter-Roundtable: «Es gibt gewisse Tricks und Kniffe, die man wissen muss»

PICC-Katheter bilden einen zentralvenösen Zugang über eine periphere Vene am Oberarm. Bei mittel- bis langfristigen intravenösen Therapien bieten sie eine Alternative zu anderen zentralvenösen Kathetersystemen, welche dazu beitragen kann die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus zu Minimieren.1-3 Expertinnen und Experten aus der Medizin und Pflege kamen beim ersten Berner PICC Roundtable am 05. September 2024 zusammen, um die Einlage und Anwendung der PICC-Katheter aus ihren verschiedenen Perspektiven zu diskutieren.

Peripher eingeführte zentralvenöse Katheter (PICC-Katheter) wurden in den 1970er Jahren entwickelt und haben sich seitdem material- und anwendungstechnisch weiterentwickelt.2, 4 Im Gegensatz zu anderen zentralvenösen Kathetern, wird der PICC-Katheter über eine Oberarmvene eingeführt, sodass die Spitze des Katheters in der oberen Hohlvene vor dem rechten Vorhof des Herzens zu liegen kommt.5 PICC-Katheter werden bei verschiedenen Indikationen eingesetzt: ambulante Antibiotika- oder Chemotherapien sowie längere intravenöse Behandlungen können darüber appliziert werden. Auch für Kontrastmittel und die Messung von Herzfunktionen eignen sich die PICC-Katheter, die zwei Wochen bis zu über ein Jahr im Körper verbleiben können.3 Die Einlage kann blind mit anschließender radiologischer Lagekontrolle, unter Fluoroskopie zur Visualisierung der Spitze oder mithilfe eines Elektrokardiogramms (EKGs) als tip confirmation system (TCS) erfolgen.3, 6

Beim ersten Berner PICC Roundtable wurde am 05. September im Generationenhaus in Bern diskutiert, welche Vorteile die Einlage mithilfe eines TCS bringt (Dr. med. Daniel Müller, Bürgerspital Solothurn), wie Pflegeexperten PICC-Katheter selbstständig einlegen können (Dr. med. Alexander Rosenov, Hirslanden Beau-Site) und was es bei Maintenance & Care der PICC-Katheter zu beachten gibt (Janine Galli, BD). Moderiert wurde die Runde unter anderem von Katharina Boshart, Präsidentin der National Experts for Vascular Access and Maintenance (NEVAM). Weitere Teilnehmer des Roundtable in Bern waren Experten aus der Medizin und Pflege sowie von der Spitex, Home Care und Palliative Care.

PICC-Einlage leicht gemacht

Als einer der Pioniere der EKG-basierten TCS-Anwendung in der Schweiz stellte Dr. med. Daniel Müller vom Gefässzentrum im Bürgerspital Solothurn die Einlage der PICC-Katheter vor. «Anfangs wurde der PICC-Katheter unter Röntgenkontrolle im OP-Saal gelegt, was viel Material- und Personalaufwand mit sich brachte», erklärt Dr. Müller. Ein EKG-basiertes TCS als Alternative bietet diverse Vorteile – das mobile Gerät funktioniert ohne Strahlenbelastung, kann auch direkt am Krankenbett der Patient:innen eingesetzt werden und erfordert weniger Zeitaufwand.3, 7 Es verwendet einen auf der Brust platzierten Sensor, um die Lage der magnetischen Spitze am distalen Ende des Katheters darzustellen und verfügt über interne sowie externe EKG-Ableitung, um die korrekte Position der Katheterspitze relativ zum Herzen zu bestätigen. Auf der Ultraschall-Projektion wird die Position der Spitze in Echtzeit angezeigt und die P-Wellen des intrakavitären EKGs steigen progressiv an, wenn sich die Katheterspitze dem kavoatrialen Übergang nähert.3, 7

Seit der ersten PICC-Einlage mit dem EKG-basierten TCS vor etwa 8 Jahren hat das Team um Dr. Müller eine steile Lernkurve verzeichnet und ist mittlerweile sehr routiniert. 90% der Patient:innen im Bürgerspital Solothurn erhalten ihren PICC-Katheter in einem speziell ausgerüsteten Sprechstundenzimmer und nur in 3-4% der Fälle ist ein Kontrollröntgen notwendig. Herausforderungen bei der Lokalisation sieht Dr. Müller vor allem bei COPD-, über- und untergewichtigen Patient:innen.8 «Es ist nicht schwierig, aber es gibt gewisse Tricks und Kniffe, die man wissen muss.”, fasst Dr. Müller die Einlage des PICC-Katheters zusammen.

Empowerment und Entalstung Hand-in-Hand

Dr. Rosenov spricht in seinem Vortrag über die Vorteile einer PICC-Einlage durch nicht-ärztliches Personal: Das Pflegepersonal ist häufig auch mit der Vor- und Nachsorge betreut und kann die Patienten so noch umfassender begleiten. Zudem wird die Kompetenz der Pflegeexpert:innen um einen Eingriff erweitert, der technisch zwar relativ einfach ist, aber gut eingeübt sein muss.9 «Das Interventionsrisiko ist niedrig, aber man muss die Technik gut kennen», sagt Dr. Rosenov. Der rechtliche Aspekt in der Schweiz schreibt vor, dass es sich bei der PICC-Einlage um eine delegierte ärztliche Tätigkeit handelt und die ärztliche Aufklärungspflicht gilt. So ist der Status quo in der Schweiz, dass die PICC-Katheter meist durch einen Arzt oder eine Ärztin gelegt werden.9 In seiner Klinik hat Dr. Rosenov nun allerdings die Fluoroskopie-geleitete PICC-Einlage durch Pflegeexpert:innen initiiert. Um dies zu ermöglichen, absolvieren die erfahrenen Pfleger:innen eine interne, dokumentierte Spezialausbildung auf hohem Niveau, welche sie mit einem Zertifikat mit einjähriger Gültigkeit abschliessen. Die Verantwortung bleibt jedoch auch in diesem Fall bei dem Arzt oder der Ärztin.9 Dr. Rosenov sagt dazu: «Es braucht die Diskussion um rechtliche Normen und Eigenverantwortlichkeit.»

In anderen Spitälern wird das Legen von PICC-Kathetern nur selten an die Pflegeexpert:innen delegiert. Eine Ausnahme bildet das Ente Ospedaliero Cantonale (EOC) im Tessin, wo PICC-Katheter mithilfe eines EKG-basierten TCS im Patientenbett gelegt werden.10 Um dies auch schweizweit zu ermöglichen ist eine strukturierte Ausbildung notwendig, mit der Pflegepersonal auf offiziellem Weg die Kompetenz der PICC-Einlage erlangen kann. Vorteile dieses Empowerments sehen alle teilnehmenden Expert:innen auch im Zeitaspekt: je nach Spital warten Patient:innen teils mehrere Tage auf einen Termin für das Legen des intravenösen Zugangs. Eine anwesende Pflegerin kommentiert: «Es braucht die Möglichkeit die PICC-Einlagen schnell und niederschwellig zu machen».

Teilnehmende Ärztin: «Was im Tessin funktioniert, könnte auch in Bern das Spitalpersonal entlasten, aber wie ist es mit der Verantwortung? Diese Frage muss geklärt werden, bevor so etwas in Bern ausgebaut werden kann und die Pflege muss dann auch selbst abrechnen dürfen.»

Teilnehmender Pfleger: «Dieses Empowerment bedeutet mehr Verantwortung für die Pflege, aber auch Entlastung für Ärzte. Dabei ist es gut zu wissen, dass im Hintergrund immer ein Arzt da ist, um Probleme zu besprechen – das gibt Sicherheit. Technisch ist die Einlage eines PICC-Katheters einfach, aber in der Praxis kann es immer Situationen geben, in denen es einen Arzt braucht.»

«Spülen, spülen, spülen…»

Maintenance & Care für intravenöse Zugänge beginnt bereits bei der Auswahl des richtigen Katheters. Produktanbieter stellen digitale Lösungen zur Verfügung, die wichtige Parameter der zu verabreichenden Medikamente zusammen mit Empfehlungen für geeignete Katheter-Eigenschaften angeben.10 Spülen ist bei der PICC-Pflege von zentraler Bedeutung. Es sollten immer ausreichend grosse Spritzen verwendet werden, um Überdruck zu vermeiden und nach parenteraler Ernährung oder Blutentnahme sollte unbedingt mit 2 x 10 ml physiologischer Kochsalzlösung gespült werden.11 «Spülen erleichtert allen die Arbeit», sagt Janine Galli zu Beginn ihres Vortrags. PICC-Katheter mit Klemmen sollten grundsätzlich alle 12 Stunden gespült werden (auch wenn diese mit Konnektor verwendet werden), während Katheter mit Ventil nur alle 7 Tage gespült werden müssen.11, 12 Der Vorzug liegt dabei klar auf pulsierendem Spülen, welches in Studien 90% der Proteine innerhalb von 8 Sekunden ablösen konnte im Vergleich zu kontinuierlichem Spülen, welches 80% der Proteine im Katheter innert 24 Stunden auslöste.11, 13

Bei einer Dislokation sollten PICC-Katheter zudem niemals weiter hineingeschoben werden, da hier ein hohes Infektionsrisiko besteht. Im Falle einer Kathetermigration ist immer Rücksprache mit einem Arzt zu halten. 24 Stunden nach der Einlage von PICC-Kathetern sollte die erste Verbandskontrolle erfolgen. Meist ist dann ein Wechsel nötig; es wird empfohlen danach alle 7 Tage zu wechslen.14 Es ist empfohlen, bei PICC-Kathetern einen Konnektor zu verwenden, um ein geschlossenes System herzustellen. Der Katheter, der lange platziert bleiben darf, wird so geschont, während der Konnektor alle 7 Tage gewechselt werden kann.15 Für eine vollumfassende Hygiene kann der Konnektor mit Desinfektionskappen verschlossen werden, die ebenfalls bis zu 7 Tage für Keimfreiheit sorgen.16 Katharina Boshart von NEVAM sagt dazu: «Der Konnektor in Kombination mit der Desinfektionskappe hat ein neues Zeitalter bei den intravenösen Zugängen eingeleitet, vor allem in Bezug auf Sicherheit». Der PICC-Katheter kann im Liegen und ohne Kraftaufwand gezogen werden, nachdem die Einstichstelle gut gereinigt wurde.

Im «PICC-Buechli», das den Patient:innen als eine Art Logbuch mitgegeben wird, werden Details zur Einlage und dem Behandlungsverlauf eingetragen. Diese Information ist essentiell für die weitere Versorgung etwa durch die Spitex nach Verlassen des Spitals mit PICC-Katheter. Im Austausch der Teilnehmenden wurden wichtige Verbesserungen für die Kommunikation an diesen Schnittstellen diskutiert. Beispielweise kann die Wichtigkeit der «PICC-Buechli» schon während der Einlage mit Patient:innen besprochen werden. Auch ein allgemeingültiger definierter Umgang mit Spülen, Lagekontrolle, Verbandswechsel und den dafür benötigten Materialien ist wünschenswert und mit Unterstützung der NEVAM bereits in Arbeit.

Fazit

Ein EKG-basiertes TCS ermöglicht eine schnelle und unkomplizierte Installation sowie eine sehr präzise Lokalisation der Katheterspitze bei der PICC-Einlage.3 Für Betroffene ist der Eingriff wenig belastend und die Einlage ist auf einer Liege, im Bett und auf der Intensivstation möglich. Zudem kann die PICC-Einlage so auch durch ausgebildetes Pflegepersonal durchgeführt werden.3, 7 In Raum Bern konnten die teilnehmenden Expert:innen vom Austausch am Roundtable profitieren und viele Anregungen mit in den klinischen Alltag nehmen.

Verweise

  1. Heath M et al. Improving Appropriate Use of Peripherally Inserted Central Catheters Through a Statewide Collaborative Hospital Initiative: A Cost-Effectiveness Analysis. The Joint Commission Journal on Quality and Patient Safety, 2024, https://doi.org/10.1016/j.jcjq.2024.04.003
  2. Bing S et al. PICC versus midlines: Comparison of peripherally inserted central catheters and midline catheters with respect to incidence of thromboembolic and infectious complications. The American Journal of Surgery, 2022. 223(5): p. 983-987.
  3. Dale M et al. Sherlock 3CG(®) Tip Confirmation System for Placement of Peripherally Inserted Central Catheters: A NICE Medical Technology Guidance. Appl Health Econ Health Policy, 2016. 14(1): p. 41-9.
  4. Hoshal VL, Jr. Total Intravenous Nutrition With Peripherally Inserted Silicone Elastomer Central Venous Catheters. Archives of Surgery, 1975. 110(5): p. 644-646.
  5. Michaela Hans, Professor Dr. med. Bernhard Gebauer: Pflegeleitfaden PICC / Peripher Inserted Central Catheter / periphere zentral-venöse Katheter, Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Charité Berlin, April 2013.
  6. BD-102631 Sherlock 3CG_2B System Flyer DE.
  7. Tomaszewski KJ et al. Time and resources of peripherally inserted central catheter insertion procedures: a comparison between blind insertion/chest X-ray and a real time tip navigation and confirmation system. Clinicoecon Outcomes Res, 2017. 9: p. 115-125.
  8. Dr. med. Daniel Müller, PICC Implementation – How I do it: SiteRite/ Sherlock 3 CG. Berner PICC Roundtable, 05.09.2024.
  9. Dr. med. Alexander Rosenov, Empowerment – PICC Einlage durch HCP (Pflegefachpersonen/MTRA). Berner PICC Roundtable, 05.09.2024.
  10. Becton, Dickinson, and Company. (2022, 9. April). BD Infusate Companion. App Store. https://apps.apple.com/us/app/bd-infusate-companion/id1617095127.
  11. PowerPICC Solo2 catheter RN. Instruction For Use.2016.0741199 1602R.
  12. PowerPICC Catheter Technical Data Sheet. 2019.
  13. REF-15331 Vergleichende Analyse der Effektivität unterschiedlicher Spülmethoden bei IV-Kathetern. 2020. 2237_129513_162042.
  14. StatLockTMPICC StabilizationDevice, Introductionfor use. 2016.
  15. BD-54536 NFC Matrix GERMAN. 2022. 2237_190587_303360.
  16. BD-92257 BD PureHub Disinfecting Cap Brochure GSA.2023.2237_252547_395730.

Dieses Quellenverzeichnis mit von Dritten begutachtetem Material (Peer-Review) und die Websites, auf denen das Material bereitgestellt wird, dienen nur zu Ihrer Information und implizieren keine Überprüfung oder Befürwortung des Materials oder einen Zusammenschluss mit den Betreibern. Die Quellen von Dritten (und die Websites, auf die sie verweisen) können Informationen enthalten, die ungenau, unvollständig oder veraltet sind. Ihr Zugang und die Nutzung der Websites Dritter (und aller Websites, zu denen sie verlinkt sind) erfolgt ausschließlich auf Ihr eigenes Risiko.

Diese Präsentation wurde vom Vortragenden entwickelt, und die darin enthaltenen oder zum Ausdruck gebrachten Ergebnisse, Interpretationen und Schlussfolgerungen spiegeln nicht unbedingt die Ansichten von BD wider. Soweit sich diese Präsentation auf bestimmte Produkte bezieht, sollten diese Produkte immer in Übereinstimmung mit den entsprechenden Gebrauchsanweisungen und anderen Produktdokumentationen verwendet werden. Dieser Inhalt darf nicht ohne Zustimmung des Copyright-Inhabers kopiert oder verbreitet werden. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an: GMB-EU-MDS@bd.com

MED-09029